Der Zweifel im Strafverfahren

Oder wie Sachbeweise (z.B. eine DNA-Spur) täuschen können

Als Strafverteidiger besteht meine Aufgabe regelmäßig darin, den Richter, der aufgrund der Aktenlage meistens schon von der Schuld meines Mandanten überzeugt ist, an seiner Überzeugung zweifeln zu lassen. Was aber ist, wenn der Verteidiger selbst den Unschuldsbeteuerungen seines Mandanten nicht mehr glauben kann?

Am Landgericht Dresden hatte ich eine interessante Berufungsverhandlung. Der Mandant, Ausländer, sollte in eine Pizzeria außerhalb von Dresden eingebrochen sein und dort einen Automaten aufgebrochen haben. An dem Oberlicht, durch das der oder die Einbrecher eingestiegen waren, hatte man Spuren der DNA meines Mandanten gefunden. In der ersten Instanz hatte der Polizeibeamte, der die DNA-Spur gesichert hatte, ausgesagt, dass die Spur nicht eindeutig gewesen sei. Man hätte die Spur auch dort dadurch hinterlassen können, indem man z.B. aus Jux beim Herausgehen an den Türholm geschlagen hätte. Trotzdem wurde mein Mandant vom Amtsgericht verurteilt.

Auf meine Berufung hin wurde die Sache darauf vor dem Landgericht verhandelt. Der Richter zeigte mir gleich von Anfang an, dass er meine mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Zweifel intellektuell nachvollziehen, aus Gründen des gesunden Menschenverstandes dazu aber keinen Anlass sehen könnte. Als dann mein Mandant noch schilderte, dass er die Pizzeria mit zwei Pizza-Kartons verlassen hatte und entsprechend kaum beim Herausgehen seine Spuren am Türholm hinterlassen haben konnte, war für mich selbst kaum noch vorstellbar, dass mein Mandant nicht der Täter gewesen war.

Trotzdem ließen wir uns noch von dem Polizeibeamten genau erklären, wie die Spuren gesichert worden waren, wie der Täter durch das Oberlicht gekommen war und wo sich genau dieDNA-Spur befunden hatte. Und siehe da: Von dem Täter konnten die Spuren beim Einstieg überhaupt nicht hinterlassen worden sein! Aber wie denn? Eine Möglichkeit, so der Polizeibeamte, wäre z.B. dass irgendjemand die DNA meines Mandanten mit der Hand irgendwo aufnahm, wo dieser sie zufällig hinterlassen hatte. Und dieser Jemand trug dann die Spur an den Türholm, aus welchen Gründen auch immer, jedenfalls vermutlich unbeabsichtigt. Zu welcher Zeit, in welcher Form, all das konnte man gar nicht mehr klären.

Eine DNA-Spur, die am Ende nichts weiter ist, als die Möglichkeit, eine Tat mit einem Menschen in Verbindung zu bringen. Ein schönes Beispiel auch dafür, dass es sich immer lohnt, den Zweifel zu bewahren. Als Verteidiger sowieso, denn der Zweifel streitet für den Angeklagten.